Fachdidaktik Deutsch Vormbaum

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Inhaltsangabe des Kapitels "Die Kanzleien 1"

Die Szene in den Kanzleien spielt sich ab, nachdem die Frau des Gerichtsdieners mit einem ihrer Liebhaber, trotz der Versuche Josef K´s dies zu verhindern, verschwindet. Kurz darauf tritt der Gerichtsdiener selbst auf und lädt Joseph K. auf eine Führung durch die Kanzleien ein. Dieser ist zuerst unentschlossen, entscheidet sich aber doch aus Neugierde dafür. Daraufhin spielt sich eine Szene ab, die die Verwahrlosung und Hilflosigkeit der Angeklagten zum Ausdruck bringt.

Der Gerichtsdiener führt K. über die Treppe hinauf zum Dachboden. Hier auf den Dachböden der Mietshäuser befinden sich anscheinend immer die Kanzleien. Das Wartezimmer ist ein langer Gang, in dem es keinen unmittelbaren Lichteinlass gibt. Die Leute sitzen auf langen Holzbänken an den Seiten des Ganges und machen einen bescheidenen Eindruck und sind vernachlässigt angezogen, obwohl die meisten den höheren Klassen angehören zu scheinen. Der Gerichstdiener sagt, dass alle, die er hier sähe, Angeglagte seien. Daraufhin spricht K. einen seiner „Kollegen“ an und fragt ihn, worauf er hier warte. Doch der offenbar welterfahrene Mann, der anderswo sicher zu antworten wüsste, kann hier auf eine solch einfache Frage keine Antwort erwidern. Der Gerichtsdiener beruhigt ihn und ermuntert ihn zu antworten. Viele der Wartenden umstehen die Szenerie. Der Gerichtsdiener scheucht sie weg und der Gefragte antwortet, er habe einige Beweisanträge in seiner Sache gestellt und warte auf Erledigung (vgl. S.76 Z.11 ff). K. meint, er gäbe sich ja richtig Mühe und will wissen, ob so ein Beweisantrag denn von Nöten sei. Der Mann erwidert völlig unsicher, er wisse es nicht genau. K. unterstellt ihm, dass er nicht glaube, dass K. angeklagt sei. Der Mann meint, er glaube ihm, doch dies sagt er aus Furcht nicht aus Glaube. K merkt, dass der Mann ihm nicht glaubt und fasst ihn unbewusst leicht beim Arm. Daraufhin schreit der Mann los. K. findet dieses Schreien lächerlich und lässt von dem Mann ab. Eigentlich ist er froh, nicht für einen Angeklagten gehalten zu werden, sondern vielleicht sogar für einen Richter. Der Gerichtsdiener meint nur, dass die meisten Angeklagten so empfindlich seien. Ein Wächter sieht noch einmal nach, was vorgefallen ist.

Die Passage lässt die Angeklagten sehr eingeschüchtert und völlig ohne Selbstbewusstsein erscheinen. Man bekommt einen Eindruck wie hilflos die Wartenden nach womöglich jahrelangen Prozessen geworden sind. Sie haben jegliche Hoffnung verloren. Selbst die höhern Schichten sind von Verwahrlosung gekennzeichnet (vgl. S. 75 Z.6 ff), denn sie haben längst aufgegeben. Schon zu Anfang der Szene wird klar, dass auf die Angeklagten keinerlei Rücksicht genommen wird. K. stolpert über die Stufe und vermutet genau diesen Mangel an Rücksicht. Der Gerichtsdiener bestätigt dies (vgl. S.74 Z. 22 ff). Diese Eingangssituation zeigt gleich zu Anfang auf, welchen Status die Angeklagten haben. Der Eindruck K.`s, dass die Beamten geradezu an den die Abteilungen trennenden Holzgittern stehen und die Wartenden beobachten, hat etwas von einer Gefängnissituation. Die Angeklagten sind praktisch schon „hinter Gittern“ gefangen und werden nur misstrauisch beäugt. Auch die Begrüßung der Menschen zeugt von einer inneren Gebrochenheit und einem niedrigen Selbstbewusstsein. Wenn sie sich zur Begrüßung erheben, stehen sie „niemals vollständig aufrecht“(S.75 Z.16 ff). Sie werden von K. mit Straßenbettlern verglichen, also mit dem  niederträchtigsten und demütigsten Status, den ein Mensch haben kann. Der Mann, mit dem K. spricht, kann stellvertretend für die Angeklagten gesehen werden. Er ist eigentlich ein überlegener, welterfahrener Mann, doch hier als Angeklagter ist er plötzlich ein unsicherer, ängstlicher Mensch. Er ist sich nicht sicher, was er antworten soll. Die Situation als Angeklagter scheint die Menschen in ein Loch zu ziehen. Der Mann hat solche Angst davor, ihm könne etwas geschehen, dass er schon bei der kleinsten Berührung Angstzustände bekommt und zu schreien anfängt. Die Aussage des Gerichtsdieners, dass die meisten Angeklagten so empfindlich seien, zeigt noch einmal deutlich, dass sie jegliche Persönlichkeit, jeglichen Stolz und jegliches Selbstwertgefühl verloren haben. Deshalb ist K. froh nicht für angeklagt gehalten zu werden, denn so will er nicht enden. Diese überlegene Position zeigt sich darin, dass er den Mann zu Abschied fester packt und wegstößt.

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